Kindesunterhalt

Der Kindesunterhalt aufgrund von Neuheirat und die Geburt eines weiteren Kindes

BGer 5A_840/2023 vom 22. August 2024

Im BGer 5A_840/2023 vom 22. August 2024 befasste sich das Bundesgericht mit der spannenden Frage der Abänderung eines Ehescheidungsurteils hinsichtlich des Kindesunterhalts aufgrund von Neuheirat und die Geburt eines weiteren Kindes.

A. Sachverhalt und Prozessgeschichte

A und B wurden am 6. Juli 2022 vom Bezirksgericht Kriens geschieden. Sie sind beide Eltern der gemeinsamen Tochter C. Im Sommer 2020 heiratete A erneut. Im März 2021 brachte sie die Tochter D zur Welt. Vater dieses Kindes ist der neue Ehemann.

Mit Klage beantragte B beim Bezirksgericht Kriens die Reduktion der im Scheidungsurteil vom Bezirksgericht Kriens genehmigten Unterhaltsbeiträge, insbesondere des Betreuungsunterhalts. Das Bezirksgericht wies die Abänderungsklage ab.

B legte beim Kantonsgericht Luzern Berufung ein und hielt daran fest, dass die Unterhaltsbeiträge für C wie vor dem Bezirksgericht beantragt herabzusetzen seien. Das Kantonsgericht hiess die Berufung gut und änderte die im bezirksgerichtlichen Urteil festgelegten Unterhaltsbeiträge.

Mit Beschwerde vom 6. November 2023 wendete sich A. (Beschwerdeführerin) an das Bundesgericht. Sie beantragt, das Urteil des Kantonsgerichts aufzuheben und B (Beschwerdegegner) zu verpflichten, für C die im Urteil des Bezirksgerichts Kriens festgesetzten Unterhaltsbeiträge zu bezahlen.

B. Erwägungen:

Das Bundesgericht behandelte die Frage, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen der Unterhaltsbeitrag von C wegen der Geburt von D bzw. der damit hinzutretenden Unterhaltspflicht des Vaters von D abzuändern sei. Dabei setzte es sich intensiv mit den Argumentationen des Bezirksgerichts und Kantonsgerichts auseinander.

Die Argumentation des Bezirksgerichts:

Gemäss dem Bezirksgericht habe die Mangelsituation der Beschwerdeführerin nach dem Zeitpunkt des Schuleintritts von C keinen Zusammenhang mit der Geburt von D, weshalb nach der Rechtsprechung der Betreuungsunterhalt nicht aufzuteilen sei. Bezüglich der Zeit vor dem Schuleintritt von C hielt das Bezirksgericht fest, dass beide Töchter einen Betreuungsbedarf von je 100 % hätten. Laut dem Bezirksgericht sei der Beschwerdeführerin allerdings schon vor dem Schuleintritt von C ein über das Schulstufenmodell hinausgehendes Einkommen aus einem 40 %-Pensum angerechnet worden, weshalb der Beschwerdegegner der Beschwerdeführerin einen tieferen Betreuungsunterhalt habe bezahlen müssen. Mit dieser Begründung hat das Bezirksgericht entschieden, auch bis zu C’s Schuleintritt keine Änderung der Aufteilung des Betreuungsunterhalts vorzunehmen.

Argumentation des Kantonsgerichts:

Das Kantonsgericht hielt fest, dass eine auf die Kausalität des Mankos beschränkte Argumentation nicht zielführend sei, weil daraus eine nicht gerechtfertigte Besserstellung des Vaters des jüngsten Kindes resultiere. Dass der Vater des jüngsten Kindes sich nicht am Betreuungsunterhalt seines Kindes zu beteiligen hat, gehe nicht an; insofern sei die Berufung des Beschwerdegegners begründet. In der Folge setzt sich das Kantonsgericht mit dem Standpunkt des Beschwerdegegners auseinander, dass durch die Heirat der Beschwerdeführerin seine Pflicht zur Bezahlung von Betreuungsunterhalt für C erloschen sei, da die eheliche Unterhaltspflicht des neuen Ehemannes der Beschwerdeführerin und Vaters des jüngsten Kindes vorgehe. Dabei kam das Kantonsgericht zu dem Entschluss, dass die Heirat der Beschwerdeführerin mit dem Vater ihres zweiten Kindes nicht zur Folge hat, dass der Beschwerdegegner keinen Betreuungsunterhalt mehr zu bezahlen hat. Die Unterhaltspflicht des Beschwerdegegners gehe der nur mittelbaren Beistandspflicht des Ehemanns und Stiefvaters des ersten Kindes der Beschwerdeführerin vor. Der betreuungsbedingt ungedeckte Bedarf des betreuenden Elternteils sei primär aus dem Betreuungsunterhalt des Kindes zu decken; entsprechend sei der Betreuungsunterhalt sowohl auf C wie auch auf D aufzuteilen. In der Folge verteilte das Kantonsgericht den errechneten Betreuungsunterhalt nach Köpfen auf die beiden Kinder. Anschliessend bestimmt es für die einzelnen Zeitabschnitte C’s Anteil am Betreuungsunterhalt und setzt gestützt auf diese Erwägungen C’s Unterhaltsbeiträge fest.

Die Argumente der Beschwerdeführerin (Kindsmutter):

Der Einwand der Beschwerdeführerin, dass nur die Geburt eines Kindes des Unterhaltsverpflichteten einen Abänderungsgrund darstellen könne, nicht jedoch die Geburt eines Kindes der Unterhaltsberechtigten lässt das Kantonsgericht nicht gelten. Weiter argumentierte die Beschwerdeführerin, dass die Geburt von D nichts an ihrer finanziellen Situation geändert habe, und dass der im Scheidungsurteil festgelegte Unterhaltsbeitrag für C nicht aufgrund einer realistischerweise voraussehbaren Veränderung der familiären Konstellation auf Seiten von ihr abgeändert werden dürfe, da der Beschwerdegegner damit hätte rechnen müssen, dass sie, die Beschwerdeführerin, in absehbarer Zeit nochmals Mutter werden würde.

Entscheid des Bundesgerichts:

Das Bundesgericht schloss sich der Argumentation des Kantonsgerichts an und kam zum Entschluss, dass die Geburt eines Halbgeschwisters sehr wohl einen Abänderungsgrund darstellen würde, weshalb die Anstrengungen der Beschwerdeführerin, die Geburt von D als Abänderungsgrund auszuschliessen, umsonst seien. Das Bundesgericht wies schliesslich die Beschwerde der Beschwerdeführerin wegen Unbegründetheit ab (Erw. 4.1.1).

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